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29.05.2001Neue Zürcher ZeitungP. Achermann, T. Graf, R. Huber, A. A. BorbélyMobilfunktelefonie und Schlaf

Mobilfunktelefonie und Schlaf

Noch keine Aussagen bezüglich einer Gesundheitsgefährdung

Von P. Achermann, T. Graf, R. Huber und A. A. Borbély*

Trotz zahlreichen Studien, die sich mit Auswirkungen elektromagnetischer Felder befassen, können keine klaren Aussagen bezüglich einer möglichen Gesundheitsgefährdung gemacht werden. Systematische Forschung und Geduld - wie beispielsweise am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich - sind nötig.

Mit der zunehmenden Verbreitung von digitalen Mobilfunktelefonen stellt sich die Frage, ob mit ihrem Gebrauch ein gesundheitliches Risiko für die Bevölkerung verbunden ist. Elektromagnetische Strahlen umfassen ein breites Frequenzspektrum und gehören seit je zur Umwelt des Menschen. Mit der fortschreitenden technischen Entwicklung hat jedoch die Strahlung in gewissen Frequenzbereichen stark zugenommen. Der Mobilfunk basiert auf nichtionisierender Strahlung im Bereich der Mikrowellen. Die Energie dieser Strahlung ist zu klein, um chemische Bindungen zu lösen und beispielsweise die DNS im Zellkern zu schädigen. Bestens bekannt ist ihre Wärmewirkung, die ihre technische Anwendung im Mikrowellenofen findet. International festgelegte Grenzwerte stellen sicher, dass Handys das Gehirn nicht wesentlich erwärmen. Die Frage stellt sich aber, ob die Strahlung eine nichtthermische biologische Wirkung ausübt.

Schlaf als ideale Testgelegenheit

Es gab bis vor kurzem keine eindeutigen Befunde, dass der Gebrauch von Mobiltelefonen das Gehirn beeinflussen kann. Um diese Frage weiter abzuklären, wurden in der Abteilung Psychopharmakologie und Schlafforschung des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich experimentelle Schlafuntersuchungen durchgeführt. Der Schlaf eignet sich gut zur Erfassung externer Einflüsse. Selbst kleine physiologische und pharmakologische Effekte können mittels der Hirnströme, die mit Hilfe des Elektroenzephalogramms (EEG) im Schlaf aufgezeichnet werden, erfasst werden.

In einer ersten Studie wurden junge gesunde Versuchspersonen nachts, das heisst während des Schlafens, elektromagnetischen Feldern im Bereich der Mobilfunkfrequenzen exponiert. Es wurden Feldstärken verwendet, welche in ihrer Wirkung dem halben internationalen Grenzwert für lokale Exposition entsprachen. Im Vergleich zu einer Kontrollnacht ohne Exposition wurden folgende Effekte beobachtet: 1. Das Schlaf-EEG war in einem bestimmten Frequenzbereich (9-14 Hz) verändert. Diese EEG-Veränderungen traten rasch in Erscheinung und bildeten sich im Laufe der Nacht vollständig zurück. 2. Die Dauer der kurzen nächtlichen Wach-Episoden nach dem Einschlafen war reduziert.

Schlafqualität nicht beeinflusst

Diese Befunde veranlassten uns, eine weitere Studie durchzuführen. Dabei wurden Versuchspersonen nun vor dem Schlafengehen während 30 Minuten elektromagnetischen Feldern ausgesetzt. Die Antennen waren beidseits des Kopfes angeordnet, wobei jeweils nur eine der Antennen aktiviert war. Die Feldbedingungen waren die gleichen wie in der ersten Studie. Nach der Exposition war das Schlaf-EEG im gleichen Frequenzbereich wie in der ersten Studie verändert. Die Veränderungen bildeten sich während des Schlafes zurück. Die Schlafqualität war nicht beeinflusst. Da jeweils nur die eine Kopfseite exponiert wurde, konnte eine asymmetrische Auswirkung auf die Hirnströme erwartet werden. Dies war aber nicht der Fall. Eine einseitige Exposition beeinflusste beide Hemisphären in ähnlicher Weise.

Die relevante dosimetrische Grösse im Frequenzbereich des Mobilfunks ist die spezifische Absorptionsrate (SAR) mit der Einheit W/kg. Sie kann allerdings im Gehirn nicht gemessen werden. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Informationstechnologie und Gesellschaft (IT'IS) wurden deshalb unsere beiden experimentellen Anordnungen am Computermodell simuliert. Es zeigte sich, dass in beiden Experimenten auch tiefer liegende Hirnstrukturen substanziell exponiert wurden. Unsere Hypothese ist somit, dass diese Strukturen für den beobachteten symmetrischen Effekt bei asymmetrischer Exposition verantwortlich sind.

Keine Aussagen über mögliche Risiken

Unsere Resultate zeigen, dass Hirnfunktionen durch elektromagnetische Hochfrequenzfelder beeinflusst werden können. Die physiologischen Wirkungsmechanismen dieser Veränderungen sind unbekannt und müssen weiter erforscht werden. Die Befunde erlauben keine Aussagen über ein mögliches Gesundheitsrisiko von Mobilfunktelefonen. Weitere Forschung ist nötig, um Dosis-Wirkungs-Zusammenhänge und die kritischen Feldparameter zu bestimmen. Weiter gilt es zu beachten, dass es sich bei unseren Studien jeweils um eine einmalige Exposition gehandelt hat, die keine Schlüsse auf eine eventuelle Langzeitwirkung zulassen. Zu beachten ist ferner, dass bisher nur junge, gesunde Versuchspersonen, die gut schlafen, untersucht wurden. Nebst unseren Befunden über Auswirkungen auf das Schlaf-EEG weisen neuere Experimente verschiedener Forschungsgruppen darauf hin, dass Handys auch die kognitive Leistungsfähigkeit einer Person beeinflussen können. Mit Hilfe von kognitiven Tests wurde vor allem eine Verkürzung der Reaktionszeiten bei einfachen Reaktionstests und bei Arbeitsgedächtnisaufgaben beobachtet.

Die Antennen der Basisstationen des Mobilfunknetzes sorgen für «heisse Köpfe», die Bevölkerung ist verunsichert. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die von uns gezeigten Veränderungen auch durch Basisstationen erzeugt werden können, da wesentlich kleinere Feldstärken vorherrschen als bei der Verwendung von Mobilfunktelefonen, die direkt an den Kopf gehalten werden.

Erkenntnisgewinn in kleinen Schritten

Die Zahl von Studien, die sich mit Auswirkungen elektromagnetischer Felder befassen, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Seit den achtziger Jahren hat sich ihre Zahl verdoppelt. Vermehrt rückten dabei auch gesundheitliche Aspekte in den Vordergrund. Trotzdem lassen sich noch keine klaren Aussagen bezüglich einer möglichen Gesundheitsgefährdung machen. Die Studien lassen sich auch schlecht vergleichen, da unterschiedliche Versuchsanordnungen verwendet wurden und auch die Art und Dauer der Strahlenexposition verschieden war. Besonders zu betonen ist, dass die durch Mobilfunktelefonie verursachte Strahlung nicht mit jener verglichen werden kann, die durch die Stromversorgung (50 Hz) entsteht. Die Untersuchungen sind äusserst aufwendig, da die Parameter schrittweise verändert werden müssen. Es ist somit nicht erstaunlich, dass der Erkenntnisgewinn in kleinen Schritten vor sich geht. Systematische Forschung und Geduld sind angezeigt.

Weitere Informationen: www.unizh.ch/phar/sleep/handy/.

* Peter Achermann ist Privatdozent, Thomas Graf und Reto Huber sind wissenschaftliche Mitarbeiter und Alexander A. Borbély ist ordentlicher Professor am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich.

Neue Zürcher Zeitung, Ressort Telekommunikation, 29.Mai 2001, Nr.122, Seite 84

Bereich: Forschung SchlafSponsor: Nachtaktivbearbeitet von: merlin